Montag, 23. Juli 2007

Einwurf!

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Da stehen sie.

Direkt vor mir. Unglaublich.

Acht bunte Ritter auf argentinischen Polopferden, vier blaue, vier rote.

So richtig mit allem, mit Helmen, Visieren, mit ihren Schlägern, den Sticks, ihrer Unruhe, Anspannung, Erwartung.

Sie haben, vier und vier, eine enge Gasse gebildet. Ich stehe direkt davor.

Alle acht Ritter schauen mich an. Achtmal gespannte Erwartung.
Sie warten auf etwas, das sich in meiner Hand befindet. Der Spielball.

Mein Herz pocht gegen den Brustkorb, im Magen ein Gefühl, wie Schmetterlinge.

Jetzt!
Ich werfe den Ball flach zwischen sechzehn Pferdebeine, kurzes Gerangle, - und sie preschen davon, dem Ball hinterher, wie die wilde Jagd.

Pohh. Weg sind sind sie. Ich stehe wieder allein am Spielfeldrand.

Polo direkt. Zum Mitmachen. Beim Polotraining in Thann samstags Nachmittag und Sonntag am frühen Abend bin ich meist der einzige Zuschauer.

Heute haben nicht alle genug Pferde. Deshalb lange Pause zwischen zwei Chukkern. Ich vertreibe mir die Langeweile durch Raseneintreten. Bei 30 km/h reissen Pferdehufe die Rasennarbe auf. Das gibt Löcher. Gefährlich. Die müssen wieder weg. Deshalb ist Raseneintreten ist gern gesehen.

Ich taste mich vorsichtig heran, an den Club, bei jedem Besuch einen kleinen Schritt näher. Ein Sätzchen zu Nummer zwei (der Clubchef, glaub ich, jedenfalls ist er der Erfahrenste)
Ein Scherzchen mit dem gutgelaunten Zeitnehmer. Ein akklamierendes Lachen über ein Bonmot von Nummer vier.

Männer sind leicht einnehmbar, offene Tore. Frauen viel schwieriger. Eiertanz. Dominanzgeeiere. Konkurrenzgehechle. Was will denn die da? Stören, Stutenbeissen? Unsere Männer?

Die will das Spiel kennenlernen. Und redet nur, wenn sie gefragt wird.

Ein großer Schritt Terraingewinn - Vertrauensgewinn:

Am Schluss des letzten Chukkers richtet Spieler Nr eins rot, die Frau, die mich um den Einwurf gebeten hatte, das Wort an mich.

Sie ist eine ruhige, sichere, sehr erfahrene Spielerin, Österreicherin. Sie muss nichts erobern, nichts beweisen. Sich nicht und den anderen nicht. Deshalb, nur deshalb ist ihre Freundlichkeit größer als ihr Argwohn.

"Danke fürs Einwerfen" sagt sie, herüber von ihrem Pferd, auf dem sie noch in voller Rüstung sitzt, den Stick über der Schulter - , als ich gehe.

Ich bleibe stehen. Jetzt bitte die richtige Reaktion.

Antwort: Es war mir ein Vergnügen. (Korrektur - lachend:) Es war mir eine Ehre.

Die Frau lacht.

Gewonnen. (Du musst sie zum Lachen bringen.)

Zurück bei meiner Vespa werfe ich noch einen Blick hinunter zum Spielfeldrand: die Pferde werden schon abgesattelt.

Nächsten Samstag bin ich wieder da.

Montag, 5. März 2007

Heinz im Telefon.

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Er war eines Tages in meinem Telefon.

Er fragte, ob ich mit auf den Berg will. Ich will – ab und an, wenn ich Zeit habe.

Wenn ich keine Zeit habe, sage ich: diesmal nicht.

Heinz ist trotzdem immer wieder in meinem Telefon, er „bleibt dran“.

Ob er mich aquirieren will, so als Freundin oder Frau?

Die Sensation: Nein.

Er hat Familie, Frau, zwei prachtvolle Söhne, einer studiert der andere studiert bald.

Er ist einfach begeisterter Bergwanderer. Und deshalb fit. Fitter als seine Familie, die manchmal mitgeht, aber kämpfen muss, an ihrem Limit.

Heinz´ Bergweh wird deshalb auf mehrere Personen verteilt. Die Benzinkosten für die Bergfahrten ebenfalls..

Ich, Autonichtbesitzer, komme zum Berg und er, Bergsehnsüchtling hat Ansprache und Benzinkostenersparnis.

Nach Monaten rückte er damit heraus, dass er eigentlich Theologe ist. Nachdem ich eine ausufernde Interpretation der Bibelstelle von Kain und Abel im Film „The Ogre“ von Volker Schlöndorff vorgelegt hatte.

Geld verdient er mit Datenbank-Migration bei Midrange-Systemen. Komplizierte Sache. Heinz ist ziemlich intelligent. Mathematiker eigentlich.

Und ein bisschen sehr ..nun, sagen wir einmal Yin. Das Yang managed seine Frau.


Wir haben zwei Drittel des Berges unter uns gebracht. Wunderbare Weitsicht auf die umliegenden Voralpen und den Tegernsee. Jetzt verlassen wir den gespurten Pfad und müssen selbst unsere Fußstapfen treten.

Schnell wird das anstrengend. Der Schnee ist zuerst knietief. Heinz übernimmt die Spurarbeit, er hat Gamaschen dabei, ich dummerweise nicht. Der Schnee fiele mir bei jedem Schritt eiskalt in die Bergstiefel. Ich improvisiere, reisse den Saum des Schneefangs meiner Hose auf und verzurre ihn mit den Fangriemen der Steigeisen.

Ich muss also nur noch sorgfältig in die knie- bis oberschenkeltiefen Löcher treten, die Heinz gespurt hat. Manchmal gibt der Schnee nach, über Latschenkiefern, denn darunter befinden sich Luftlöcher. Ich sinke bis zur Hüfte ein, arbeite mich wieder heraus. Nächster Schritt.

Nach einiger Zeit fragt mich Heinz, wie es mir geht.

Ich weiss schlagartig, was er meint. Seine Frau wäre jetzt bereits wütend auf ihn, würde in beschuldigen, sie in eine unangenehme Situation gebracht zu haben. Er wäre schuld.

Ich also ganz bewußt: Prächtig, ich muss ja nichts weiter tun als nur in deine Spur treten. Du hast die ganze Arbeit. Wie gehts Dir? Du tust mir leid.

Ich weiss, dass er diesen Teil der Bergstrecke liebt. Ein Hauch Abenteuer, weg vom Geplanten, Glatten, Einfachen.

Ich reisse mich zusammen. Ja, es ist anstrengend, aber ich bin Schülerin und Expartnerin eines Hochtourengehers, da lernt man schnell Disziplin. Maul halten und weiter.

Die bange Frage nach meiner Befindlichkeit wiederholt sich dreimal, ich bin dreimal sorglos himmelblau fröhlich.

Endlich der Gipfel,

Wie üblich wünschen wir uns unter dem Gipfelkreuz Bergheil mit Handschlag.

Heute, nach Ypsilon Touren, zieht er mich - überraschend - an sich und gibt mir eine kurze kameradschaftliche Umarmung.

Ich lache gipfelvergnügt.

Ich weiss, warum er mich umarmt hat. Weil er glücklich ist, dass ihm seine Begleitung nicht die Freude am schwierigen Part durch Meckern und Schimpfen verdorben hat.

Irgendwie bin ich plötzlich auch ganz froh. Ein bisschen gerührt vielleicht.

Oben herrscht Windstärke sieben. Ich breite die Arme aus und lasse mich vom Wind halten, vorgebeugt, man fällt nicht um.

Wir laufen in der Gipfelhütte ein und genehmigen uns den obligaten Apfelstrudel und Südtiroler Geräuchertes.

Schmeckt prachtvoll, das Zeug.


Sonntag, 25. Februar 2007

Auch Singen ist Sport.

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Haben Sie schon mal Gesangsstunden genommen? Nein?

Die können zu sportlichen Ereignissen ausarten, weil die Gesangslehrerin Ihren Körper zu Ihrem Instrument machen wird.

Stellen Sie sich vor, ihre Stimmbänder sind der Bogen und Ihr Körper die Geige, bei mir eher ne Bratsche, oder n´ Cello. Anfangs also eine Schlaffgeige, ein Schlaffcello, wie ein alter schrumpliger Luftballon. Später, Jahre später, ein straffes vibrierendes Instrument.

Also Singen – ein Sport ganz besonderer Art.

Geburtstag. Augsburg. Museenbesuch. Mit Museumsbesuch kann man Kunsthistorikern immer eine große Freude machen.

Wo andere lustlos an Bilderparaden vorbeischlurfen und langeweile-gebotoxt den nächsten Sessel suchen, wacht diese Spezies erst richtig auf.

Beguckt Details, vergleicht, datiert (auch ein schöner Sport: Datieren- davon mehr ein ander mal. Lokalisiert, schreibt zu oder ab.

Das ist NIEMALS ein Amberger. Amberger malt Felle und Tierhaare vieeeel besser.! Oh, schau! Ein Ignaz Günther. – Begucken des Beschreibungsschildchens –

Ignaz Günther. Stimmt.

Wie hast Du das nur erkannt?

Schon steigt die Laune des Kunsthistorikers - er ist eben Experte. Fachmann. Hat das Auge.

Wir besichtigen das Schätzlerpalais. In der alten Kapelle lockt der Hall zu einem Echo-Soundcheck. Am besten was mit Oktave –

Somewheeere over the rainbooooow…way up hiiiiigh…there´s a laaaand that I dreamed offff…..
Kunstpause.
….once in a lullabaaaaaaay…..

Nich´ schlecht.

Bernadette, meine Uralt-Freundin aus Studienzeiten (28 Jahre Freundschaft, stellen wir beim gemeinsamen nachzählen fest) fällt ein.

Sie hat einen Koloratursopran, will heißen, sie klettert stimmlich ohne die geringste Anstrenung zum dreigestrichenen C.

Wir klettern gemeinsam auf den Regenbogen. Sehr hübsch. Meine Laune steigt.

Guck! Ein Amberger!

Wechsel in den bestens restaurierten großen Prunksaal – Rokoko vom Feinsten – des Palais. Niemand da, nur wir beide.

Schnell , ein Lied, ein lustiges, Der Regenbogen ist ja doch ein bisschen-
Grübelgrübelgrübel..

A!
Ja!

Die Verführungsarie aus Don Giovanni passt hier herein.

La ci darem´ la mano ,
la mi dirai di si,
vedi – non é lontano,
partiam´ bel mio da qui..da qui..

(Der alte Sack….)

Andiam´andiam´ mio bene, da ristorar´ le pene—
D´un´ innocente amor – d´un innocente amor!!!

Innocente. Ha. Der Graf verführt das Schäfermädchen. Der Sack.

Wir haben den Saal durchquert, öffnen die jenseitige Tür –

Huch.

Draussen stehen ungefähr zehn Leute, alle dem Saal zugewandt und leuchten uns mit strahlendem Lächeln an. Touristen. Sie standen draussen und lauschten.

Schön! Sagen sie.

Schön – der Gesang! Was war das?

Ja, ja die Augsburger – ein dankbares Publikum.

Wir freuen uns mit unserem Publikum. Is ja auch schön – so ne Arie.

Weiter im Maximiliansmuseum.

Eine wunderbar eingerichtete Sammlung von kirchlichen Plastiken, vor allem Jesus und Maria – Figuren. Wieder in gewölbten hohen Räumlichkeiten. Wieder kann ich nicht widerstehen.

Maria durch ein Dornwald ging – Kyrie-eleyson! Was trug Maria unter ihrem Herzen – ein kleines Kindlein ohne Schmerzen – Kyrie Kyrie – da haben die Dornen Rosen getragen…

Aus dem Augenwinkel sehe ich eine ältere Dame im Pullover auf mich zukommen, ich mache mich für eine Schimpftirade der Aufseherin bereit.

Die Dame zu mir: Sehr schön, -gehört das auch mit zur Ausstellung- zur Untermalung?

--ach, sie ist eine Touristin. Ist aus ihrer Herde ausgeschert und zu mir herübergeschlichen.

Nein, sage ich, die Figuren hier haben mich verlockt, das Lied zu singen.

Ach, sagt die Dame, wie Mutti Scholz na sagen se mal!

Sind Sie Solistin? Fragt sie andächtig. Sopran!

Ich – auf´s höchste geschmeichelt – nein dazu langts na denn doch nicht – Choristin.

Ahhh!

Bevor sie geht, schenkt sie mir noch ein verbales Bonbon:

Ein himmlischer Sopran! Sagt sie.

Na also,- geht doch. Himmlisch.

Jetzt wissen wir´s . .. und alles begann vor vierzig Jahren mit dem Ärger über eine Vier in Gesang. Das wollte ich nicht akzeptieren. Gesangsausbildung- jahrelang- üben üben üben bis zur Morddrohung durch Nachbarn. Und heute muss ich mir nicht mehr anhören: höeehh uff! Is ja furchtbar.

Heute habe ich :

Einen himmlischen Sopran. Jawoll.

…wenn das kein schönes Geburtstagsgeschenk ist.
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Donnerstag, 22. Februar 2007

Mit Hans Albers im Taxi

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Bad Tölz, tiefstes Oberbayern Süd. Ein Sportzentrum in einer kleinen Stadt am Rande der Alpen.
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Ich habe endlich Schicht-Ende Spätdienst. Es ist halb zwei Uhr nachts. Heute leiste ich mir mal ein Taxi nach Hause.
Züge fahren um diese Zeit nicht. Erst wieder um halb sechs.
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Ich rufe also einen Tag-und-Nacht-Bereitschaftswagen.
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Bin in fünf Minuten da. knackt und knarzt es in den Telefonhörer.
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Ich warte an den Glastüren.
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Autos fahren hin, Autos fahren her.
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Warten.
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Da, endlich!
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Zwei Scheinwerfer, eine schwere weisse Limousine und auf dem Dach das freundliche gelbe Leuchtschild. In Gedanken habe ich mich schon nach Hause gebeamt.
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Ich schließe die Eingangstüren ab, öffne den hinteren Wagenschlag - heute ist es nicht Frau Taxifahrerin, die mich sonst immer nach Hause kutschiert.
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Heute ein Mann. Ein älterer Herr.
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Ich bin nicht sehr gesprächig.
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Aber er.
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Nach den ersten Sätzen umkreischt mich Möwengelächter und ich höre das Rauschen der Wellen an der Wasserkante. Der Mann ist Hanseat, den Akzent, die Stimme kenn´ich irgendwie aus alten Schwarzweiss-Filmen.

Reinster Hamburger Zungenschlag.
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Hier in meiner oberbayerischen Heimat Oberbayern wirkt Käptn Hanse wie vom anderen Stern gefallen.
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Ich. Haben Sie nicht Sehnsucht nach der Weite, dem Meer, dem Wasser?
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Doch, meint er aber seine Frau, die sei von hier, deshalb ist er jetzt auch da.
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Ja, ja, sage ich , ein schöner Grund! Wenn die Liebe ruft!
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Wissen Sie, wenn man so viel in der Welt herumgeschippert ist, wie ich.... kann mans auch hier aushalten.
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Er war Bauingenieur, hat Gebäude hochgezogen in Brasilien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten - für die königliche Familie ein Recreation Center mit x Sportplätzen und Hallen. In Russland war er auch.
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Jetzt - er ist wohl schon sechzig - fährt er Taxi. Und heute mal zur Abwechslung nachts.
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In meinem Heimatort steuere ich ihn durch die Straßen.
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Geradeaus und dann links.
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Backbord. Aye, aye.
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Taxifahren in den grünen Hügeln Oberbayerns und hart am Wind aufkreuzen - Kurs backbord Nord-Nordoost. Im Hof aufschiessen und vertäuen.
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Is o.k. Hauptsache heim.
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Als er das Licht anschaltet, um mein Geld entgegenzunehmen, sehe ich ihn zum ersten Mal:
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Volles weisses Haupthaar, strahlend blaue Aquamarinaugen.
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Hans Albers persönlich.

....Hat eine kleine Bistroarbeiterin in seinem Straßenkreuzer nach Hause geschippert. Ich fühle mich geehrt.

Tschüstschüs sage ich und schlurfe die Treppen hoch zu meiner Koje auf dem zweiten Zwischen-Deck.
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Wenigstens kein schwerer Seegang in einem Sechsfamilienhaus in Holzkirchen.